Sexualstörungen beim Mann

Diagnostik

Sexualanamnese

Erektile Dysfunktion (ED)

  • Verlauf: Seit wann, plötzlich oder progredient, situationsabhängig? –> akut oder situationsabhängig auftretende ED spricht für psychische Ursache
  • Fehlende/schwache morgendliche/nächtliche Erektionen? –> spricht für vaskuläre oder neurogene Ursache
  • Schweregrad

Sexuelle Appetenz

  • Libido: Vorhanden? (Seit wann) abgeschwächt/fehlend?

Orgasmusfähigkeit

  • Vorzeitige/verzögerte/ausbleibende Ejakulation?

Psychosozial

  • Paarbeziehung, Belastungen/Konflikte, einschneidende Lebensereignisse?

Klinische Anamnese

  • Internistische, neurologische, psychiatrische Erkrankungen, Operationen

Medikamenten-/Drogenanamnese

  • Antihypertensiva, Antidepressiva, etc.: Alkohol, Nikotin, Drogen
  • Blutdruck, HF, periphere Pulse, Strömungsgeräusch Aa. femorales. Wichtig: Erektionsstörung kann erstes Zeichen einer systemischen Arteriosklerose sein!
  • Hodenuntersuchung auf Grösse und Asymmetrie oder Tumor
  • Zeichen einer Hormonstörung: Körperbau, Gynäkomastie, Behaarungsmuster, Hodengrösse
  • Gesichtsfeld (Hypophysentumor)
  • Digital rektale Untersuchung bei älteren Patienten mit Prostata-Obstruktionssyndrom und Ejakulationsproblemen (Ausschluss palpables Prostata-Ca)
  • Lipidprofil, BZ, Hb (falls noch nicht bekannt) bei Verdacht auf Gefässerkrankung
  • TSH bei Verdacht auf Schilddrüsenfunktionsstörung
  • Hypogonadismus: < 8 nmol/l, Graubereich: 8–12 nmol/l. Beachte: Die Messung soll vormittags, am besten zwischen 8 und 10 Uhr, erfolgen (zirkadianer Rhythmus). Bei verringertem Testosteron sind zwingend 1–2 Wiederholungsmessungen erforderlich. Zur Differentialdiagnose primärer/sekundärer Hypogonadismus kann ggfls. anschliessend die Bestimmung von LH, SHBG und Prolactin erforderlich sein (–> beim Spezialisten)

Therapie

Allgemeine Massnahmen

  • Sexualberatung
  • Behandlung von kardiovaskulären Risikofaktoren/Erkrankungen (Nikotinabstinenz!)
  • Beckenbodentraining
  • Absetzen/Dosisreduktion von Medikamenten, welche Sexualfunktionsstörungen hervorrufen können
  • Beratungsstellen, Kurse: Z. B. ziss.ch (Zürich), Sexuelle Gesundheit Schweiz
  • Selbsthilfe-Weblink: http://www.impotenz-selbsthilfe.de/

Medikamente

  • PDE-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil, Avanafil) bei 60–70 % wirksam, bei Diabetikern nur in 40–50 %
    • Indikation: Bei vaskulärer und neurogener ED, ev. kurzfristig bei primär psychisch bedingten Erektionsstörungen mit Versagensangst
    • mediX empfiehlt Initialtherapie mit Sildenafil 50 mg, bei jüngeren Patienten mit psychogener Komponente Sildenafil 25 mg. Wird eine längere Wirkdauer von bis zu 36 h gewünscht, sollte bevorzugt Tadalafil 10 mg eingesetzt werden
    • Gutes Ansprechen auf PDE-5-Hemmer spricht für ein weitgehend intaktes Gefässsystem
    • Hinweise: Alkohol beeinflusst die Wirksamkeit nicht. Sildenafil, Vardenafil und Avanafil sollten nicht mit/nach dem Essen eingenommen werden. Tadalafil interferiert nicht mit der Nahrungsaufnahme
  • Alprostadil (= Prostaglandin E1), wenn PDE-5-Hemmer unwirksam oder unverträglich. Applikation intracavernös oder intraurethral

Nichtmedikamentöse Massnahmen

  • Erlernen der Stop-Squeeze- oder Stop-Pause-Methode
  • Sexualberatung/-therapie

Medikamente

  • Kurzwirksames SSRI Dapoxetin (Priligy®). Dosierung: 30 mg 1–3 h vor geplanter sexueller Aktivität
  • Alternativ andere SSRI (Off-label)
  • Topisch Lokalanästhetika (Emla® Crème) bei Hypersensitivität des Penis. Applikation 20 min vor dem Geschlechtsverkehr
  • (Sexual-)beratung, ev. Paartherapie
  • Medikamente, die Libidostörungen verursachen können, wenn möglich absetzen oder Dosis reduzieren

Bei Testosteronmangel

  • Lifestyle-Veränderungen (Gewichtsreduktion, Bewegung). Gewichtsabnahme erhöht Testosteronspiegel und vice versa
  • Behandlung von Komorbiditäten (z. B. Diabetes)

Testosteron-Substitution

  • Ist indiziert bei bestimmten Formen des primären/sekundären Hypogonadismus (z. B. Hodenschädigung, Klinefelter-Syndrom)   
  • Die genaue Indikation bei Männern mit LOH (Late onset hypogonadism; Altershypogonadismus) ist ungeklärt bzw. umstritten
  • Es gibt insgesamt keine hinreichend verlässlichen, evidenzbasierten Kenntnisse zum längerfristigen Nutzen bei LOH, vor allem sind die Langzeitrisiken unbekannt
  • mediX empfiehlt: Bei erniedrigtem (Gesamt-) Testosteron (< 8 nmol/l nach mind. 2-maliger Messung) und Libidoverlust und mind. 1 weiteren Symptom (–> Tabelle 1) probatorische Testosteron-Substitution für 4 Wochen. Niemals probatorische Testosteron-Therapie ohne nachgewiesenen Mangel mit entsprechender Symptomatik!
    Tabelle 1

Medikamente

  • Testogel® und Tostran® Gel für die tägliche transkutane Anwendung (25–50 mg/d). Hinweis: Ein Therapieversuch beim funktionellen Hypogonadismus sollte immer mit Gelen durchgeführt werden
  • Nebido® i.m. (1‘000 mg i.m.) alle 2–3 Monate (Standardtherapie) bei Dauertherapie. Dosisintervall bestimmen durch Testosteronmessung jeweils vor der erneuten Applikation
  • Testoviron® ist obsolet

Beachte

  • Die Testosteronapplikation führt nicht zur Entstehung oder schnellerem Wachstum eines Prostatakarzinoms. Dennoch wird empfohlen, PSA zu Beginn einer Testosteronsubstitution sowie nach 3 und 12 Monaten zu bestimmen (30). Kontrollen von Blutbild/Hämatokrit, Blutfetten und Leberwerten jährlich

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 12/2022

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