Depression

Diagnostik

Die Depression ist eine klinische Diagnose, mit folgenden Symptomen (nach ICD)

Hauptsymptome

  • Gedrückte, depressive Stimmung
  • Interessenverlust, Lustlosigkeit
  • Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit

Zusatzsymptome

  • Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
  • Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
  • Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung, Suizidhandlungen
  • Schlafstörungen
  • Verminderter Appetit

Leichte depressive Episode

–> 2 Hauptsymptome + 2 Zusatzsymptome

Mittelschwere depressive Episode

–> 2 Hauptsymptome + 3–4 Zusatzsymptome

Schwere depressive Episode

–> 3 Hauptsymptome + ≥ 4 Zusatzsymptome

Die Symptome müssen über mindestens 2 Wochen bestehen (Ausnahme: schwerer akuter Verlauf)

Hinter folgenden Symptomen kann sich eine Depression verbergen

  • Abgeschlagenheit, Kraftlosigkeit
  • Konzentrationsmangel
  • Schlafstörungen
  • Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Obstipation, Diarrhö
  • Diffuser Kopfschmerz
  • Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl
  • Funktionelle Störungen Herz/Kreislauf (Tachykardie, Arrhythmie)
  • Schwindelgefühle, Sehstörungen
  • Muskelverspannungen, neuralgieforme Störungen
  • Libidoverlust, Potenzstörungen, Sistieren der Menstruation
  • Gedächtnisstörungen

Bei Verdacht: orientierender 2-Fragen-Test

  1. „Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos?“
  2. „Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?“

Werden beide Fragen bejaht, genaue Abklärung nach ICD-Kriterien (s. o.)

Wichtig: Aktive Exploration von Suzidgefährdung!

Nur bei Risikopatienten mit folgender Anamnese

  • Frühere depressive Episoden
  • Depressionen, Suizid(versuche) in der Familie
  • Schwere somatische Erkrankungen
  • Substanzmissbrauch
  • Belastende Lebenssituation (life event)
  • Depressive Symptomatik kann Teil einer anderen psychischen Störung sein
    • Generalisierte Angststörung, Phobie, Panikstörung, Zwangsstörung, (Hypo-)manische Episode
    • Essstörung
    • Alkohol- und Drogenmissbrauch
  • Mögliche Differentialdiagnosen
    • Depressive Anpassungsstörung (z. B. Trauerreaktion auf Verlust von Partner)
    • Medikamentennebenwirkung z. B. Mefloquin (Malariamittel), Kortison, Hepatitis C-Behandlung mit Interferon/Ribavirin, Isotretinoin bei Akne
  • Unklare psychiatrische Differentialdiagnostik
  • Schwerer Symptomatik
  • Therapieresistenz
  • Probleme bei der Pharmakotherapie und/oder in einer Psychotherapie
  • Interaktionsprobleme bei Kombinationstherapie von Antidepressiva mit anderen Medikamenten
  • Akute Selbst- und Fremdgefährdung
  • Psychotische Symptome oder depressiver Stupor
  • Bei einer manischen Episode frühzeitig

 

Notfallindikation zur stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung

  • Bei akuter suizidaler Gefährdung oder Fremdgefährdung mit fehlender oder eingeschränkter Absprachefähigkeit oder bei psychotischen Symptomen

Therapie

Behandlungsziele

  • Vollständige Symptomremission, Wiederherstellung der sozialen Leistungsfähigkeit und Rückfallprophylaxe. Behandlungsplanung gemeinsam mit dem Patienten entwickeln, ev. unter Einbezug von Angehörigen

Leichte Depression

  • Watchful waiting“. Keine spezifische Therapie, Verlauf innerhalb der ersten zwei Wochen überprüfen
    Empfehlenswert 
    • Coaching, Stimmungstagebuch

Mittelschwere Depression

  • Psychotherapeutische Verfahren, Antidepressiva können angeboten und eingesetzt werden, wenn der Patient dies wünscht

Schwere und chronische Depression

  • Kombinationsbehandlung aus medikamentöser und Psychotherapie. Alleinige Psychotherapie möglich, aber weniger effektiv
  • Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Interpersonelle Psychotherapie (IPT) oder Gesprächspsychotherapie (GPT). Experimentell: Internetgestützte Psychotherapie
  • Bei chronischen Depressionen auch CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy). Von SGPP anerkannt: Verhaltenstherapie, psychoanalytisch orientierte Psychotherapie und systemische Psychotherapie

Grundsätze

  • Keine generellen Wirksamkeitsunterschiede zwischen den Substanzklassen. Wahl individuell nach Nebenwirkungsprofil, Erfahrungen von Arzt und/oder Patient
  • Wirkung der Antidepressiva setzt meist innert 2 Wochen ein. Falls nicht –> Response-Wahrscheinlichkeit < 15 %
  • Schrittweises Auftitrieren der Dosis wird vor allem bei TZA, aber auch (weniger dringlich) bei SSRI und neueren Antidepressiva (Mirtazapin, Venlafaxin) empfohlen
  • Bei fehlender Response Wechsel auf ein Antidepressivum einer anderen Substanzklasse empfohlen (Nutzen unsicher)
  • Absetzen der Medikation: Dosisreduktion schrittweise über einen Zeitraum von (zumeist) etwa 4 Wochen. Bei leichten Absetzsymptomen Patienten beruhigen und gut überwachen. Bei schweren Absetzerscheinungen noch langsamer absetzen, ev. auch Wiederansetzen des AD

Therapiemonitoring

Überprüfung von Response, Nebenwirkungen, Komplikationen etc. unter Zuhilfenahme von Fragebögen z. B.

  • Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D)
  • Beck-Depressionsinventar (BDI)
  • Geriatrische Depressionsskala (GDS)
  • Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) (Versicherungen fragen danach!)
  • In den ersten 4 Behandlungswochen wöchentliche Konsultation, danach alle 2–4 Wochen, nach 3 Monaten längere Intervalle
  • Nach 3–4 Wochen entscheiden, ob Wechsel der Behandlungsstrategie notwendig
  • Blutbild und Transaminasen untersuchen bei Aufnahme von AD-Therapie
  • EKG-Kontrollen bei Therapie mit Escitalopram, Citalopram und Fluoxetin in Dosierung oberhalb Standarddosis
  • Gewichtskontrollen vor allem unter Mirtazapin, Trizyklika und Lithium
  • Therapeutisches Drug-Monitoring: Bei ausbleibender Besserung unter Tri- und Tetrazyklika ev. Plasmaspiegel prüfen

Erhaltungstherapie

  • Psychotherapeutische Akutbehandlung anschliessend über 8–12 Monate in grösseren Sitzungsintervallen fortführen
  • Antidepressiva mindestens 4–9 Monate über die Remission hinaus (in gleichbleibender Dosierung). Am Ende der Erhaltungstherapie schrittweise Dosisreduktion

Rezidivprophylaxe

  • Bei Patienten mit rezidivierender/chronischer Depression und bei starken funktionellen Einschränkungen während der Episode –> Medikamentöse/psychotherapeutische Behandlung mindestens 2 Jahre fortführen

Vollversion

Autoren: Dr. med. U. Beise, Dr. med. A. Howald

Änderungsdatum: 03/2019

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