Herzinsuffizienz

Klinik und Diagnostik

  • Kardinalsymptome
    Dyspnoe bei körperlicher Anstrengung oder in Ruhe, Beinödeme, Nykturie und schnellere Ermüdbarkeit
  • Seltenere Symptome (v. a. in hohem Lebensalter)
    Delir, allgemeine Schwäche/Frailty, Inappetenz, kardiale Kachexie bei Rechtsherz- und terminaler Herzinsuffizienz
  • Linksherzinsuffizienz
    Schnellere Ermüdbarkeit, Dyspnoe, Pleuraergüsse (meist bilateral, selten rechtsbetont), periphere Minderperfusion (low output)
  • Rechtsherzinsuffizienz
    Beinödeme, Aszites, Stauungsleber und Stauungsgastro-/Enteropathie (Inappetenz, Übelkeit, Kachexie, schlechtere Bioverfügbarkeit von Medikamenten)
  • Globale Herzinsuffizienz
    Dem Gesetz der kommunizierenden Röhren entsprechend kann eine Linksherzinsuffizienz sich auch auf die rechte Seite auswirken; häufig ist beides vorhanden
  • Komorbiditäten
    Es besteht unter anderem ein erhöhtes Risiko für venöse Thrombembolie, Arrhythmien (Vorhofflimmern, Kammertachykardie u. a.), Gicht, orthostatische Dysregulation, Frailty, Niereninsuffizienz

12-Kanal-Ekg mit ggfls. Rhythmusstreifen

  • Häufig unspezifisch, aber selten normal. Mögliche Hinweise auf Ätiologie (z. B. Q-Zacken/ST-T-Streckenauffälligkeiten bei KHK, Niedervoltage und Pseudo-Infarkt-Zeichen bei Amyloidose, Hypertrophiezeichen bei hypertensiver Herzkrankheit oder hypertropher Kardiomyopathie)
  • Zur Therapieplanung (Linksschenkelblock und breites QRS –> kardiale Resynchronisationstherapie; Ablation Vorhofflimmern u. a.)

Labor

Zur Diagnosesicherung

  • Natriuretische Peptide (NP; BNP, NT-pro BNP)
    Für Ausschlussdiagnose oder Diagnosestellung einer Herzinsuffizienz, zudem für Einteilung nach Schweregrad, als Verlaufsparameter, zur Risikostratifizierung (hohe NP oder ungenügender NP-Abfall unter Therapie –> hohes Risiko für Tod oder erneute Hospitalisation).
    NT Pro BNP-Werte:
    Ausschluss akute HI < 300 pg/ml
    Ausschluss nicht-akute HI < 125 pg/ml

Zur Differentialdiagnostik

  • Basislabor
    Blutbild, Natrium, Kalium, Kreatinin, Leberwerte (Erhöhung Cholestasewerte Hinweis auf Rechtsherzinsuffizienz, erhöhte Transaminasen Hinweis auf Linksherzinsuffizienz), TSH, CRP; BZ/HbA1c, Lipidstatus, Serum-Albumin (zur Differentialdiagnose von Ödemen)
  • Gerinnungsstatus (vor möglicher Antikoagulation)
  • Mikroalbumin im Urin oder Albuminurie bei bestehender arterieller Hypertonie und/oder Niereninsuffizienz

Echokardiographie

  • Gehört zur Basisdiagnostik bei allen Patienten. Diagnosebestätigung und Klassifikation gemäss LV Funktion (siehe Tabelle unten)

Thorax-Röntgen

  • Kardiomegalie, pulmonalvenöse Stauungszeichen, Pleuraergüsse. Wichtig für Differentialdiagnostik pneumologischer Ursachen, bei chronischer Herzinsuffizienz oft unspezifisch

Lungen-Sonographie/Point-of-Care-Sonography (POCUS)

  • Als Erstuntersuchung (falls verfügbar) fokussierte Echokardiographie, Darstellung V. cava inferior, Ausmass Pleuraergüsse; B-Lines in mehreren Segmenten hoch prädiktiv für HF

Tabelle: Klassifikation der Herzinsuffizienz nach linksventrikulärer Funktion

Weiterführende Diagnostik bei gesicherter Herzinsuffizienz (individuell)

  • Herz-MRI bei unklaren Kardiomyopathien
    Funktion, Anatomie und Morphologie linker und rechter Ventrikel), Hinweise für KHK, Amyloidose, Sarkoidose, dilatative Kardiomyopathie u. a. Viabilität, Quantifizierung von Klappenvitien (insbesondere Aortenklappeninsuffizienz).
    Kontraindikation: Claustrophobie, Herzschrittmacher/Defibrillator (relativ). Ausgeprägte Arrhythmien
  • Suche nach koronarer Herzkrankheit
    • Koronarangiographie bei akutem Koronarsyndrom/ Angina pectoris
    • Nicht-invasive Ischämietests: Herz-MRI mit pharmakologischer Belastung, Myokardszintigraphie (v. a. bei vorhandenem Herzschrittmacher, Alternative zu MRI bei Claustrophobie), Stress-Echokardiographie, Koronar-CT (bei jungen Patienten und tiefer Wahrscheinlichkeit einer KHK).
  • Herz-PET
    Frage nach Ischämie, Narbe, Viabilität, koronarer Flussreserve (small-vessel-disease), Aktivität Sarkoidose
  • DPD-Szintigraphie
    Suche nach Transthyretin-bedingter ATTR-Amyloidose
  • Genetische Abklärung und Beratung
    Dilatative und hypertrophe Kardiomyopathien, Herzinsuffizienz in Kombination mit z. B. Muskelschwäche oder anderen Syndrom-artigen Pathologien. Familienscreening bei nachgewiesener spezifischer Genmutation. Kostengutsprache erforderlich

Therapie

Allgemeines Vorgehen

  • Triggerfaktoren behandeln
  • Diuretikatherapie
    • Bei klinischen Stauungszeichen
    • Falls bislang keine Diuretika, dann Start mit Torasemid 10 mg 1–0–0
    • Bei vorbestehender Diuretikatherapie Erhöhung der Tagesdosis (bei normaler Nierenfunktion um 10mg/d und nach Bedarf)
    • Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist eine schlechtere diuretische Antwort zu erwarten, so dass höhere Dosierungen oder unter Umständen eine Hospitalisation mit intravenöser Therapie notwendig werden können
  • SGLT2-Inhibitoren können frühzeitig bei allen Herzinsuffizienzpatienten eingesetzt werden
  • Medikamentenkombination abhängig vom Herzinsuffizienz-Subtyp (s. u.)

Herzinsuffizienztherapie gemäss echokardiographischer Einteilung

  • HFrEF-Patienten
    • Frühzeitige Kombinationstherapie, spätestens 4 Medikamente innert 4 Wochen (besser früher)
    • Niedrigdosierte 4er-Kombination ist besser als auf eine Substanz verzichten
    • Reihenfolge der Medikamente abhängig vom Patientenprofil, Verträglichkeit, Komorbiditäten
    • Die Medikamente sollen – wenn möglich – auf die Zieldosierungen titriert werden

⇒ SGLT2-Inhibitor (SGLT2i) + Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist (MRA) + ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) + Betablocker (BB) (+ Schleifendiuretika nach Bedarf)

  • HFmrEF-Patienten
    • Die HFrEF-Therapie ist bei HFmrEF prinzipiell wirksam (Reduktion Mortalität und Hospitalisationen sowie zu Symptomverbesserung), daher besteht hier eine Klasse II-Indikation für ACEi/ARNI, BB und MRA. Für SGLT2-Hemmer besteht hingegen eine Klasse I-Indikation
    • Formal besteht bezüglich ARNI und MRA (aktuell noch) eine BAG-Limitatio, die sich auf symptomatische HFrEF-Patienten beschränkt

⇒ SGLT2i + MRA + ACEi/ARNI + BB (+ Schleifendiuretika nach Bedarf)

  • HFpEF-Patienten
    • Sämtliche Studien zu ACE-Hemmern, ARB und Betablockern zeigen keinen überzeugenden Benefit

⇒ Optimale Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren/Erkrankungen + SGLT2i
(+ Schleifendiuretika nach Bedarf)

  • Patientenschulung mit Instruktionen zum Selbstmanagement
  • Körperliche Aktivität: Ausser bei akuter Dekompensation wichtig als Massnahme gegen herzinsuffizienzbedingte Sarkopenie und Dekonditionierung
    • Ausdauertraining, ggfls. ergänzt durch dynamisches Krafttraining (kleine Gewichte, viele Wiederholungen)
    • Ambulante Herzinsuffizienz-Rehabilitation bei mobilen und rekompensierten Patienten (stationär ggfls. nach Hospitalisation)
    • Teilnahme an Herzsportgruppe
    • Bei sehr stark dekonditionierten Patienten ev. beginnend mit Atemmuskeltraining
    • Ernährung und Gewichtskontrolle, Salz- und Flüssigkeitsrestriktion
  • Flüssigkeitsrestriktion ist nicht als Basisnahme zu empfehlen
    • Bei schwerer Symptomatik, Hypervolämie und/oder Hyponatriämie kann kurzfristig Flüssigkeitsrestriktion auf 1,5–2 l/d infrage kommen
    • Eine Diät mit dem Ziel der Gewichtsreduktion ist nur im Einzelfall sinnvoll
  • Rauchstopp

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Autoren: Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 02/2024

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