Alarmzeichen für eine spezifische Ursache („Red Flags“)
- Schwere neurologische Symptome (Blasenentleerungsstörungen, perianale Hypästhesien, Hyperreflexie, erhöhter Muskeltonus i. S. einer Spastik (nicht paravertebraler Hartspann), Koordinationsstörungen, progressive oder funktionell stark beeinträchtigende neurologische Ausfallsymptomatik trotz Therapie
- Konstanter Ruheschmerz, Nachtschmerzen, die zu nächtlichem Aufstehen zwingen
- Schlechter Allgemeinzustand (Fieber, Gewichtsverlust, Bewusstseinsveränderung)
- Symptompersistenz oder Zunahme trotz adäquater Therapie nach 4 Wochen
- Allgemeine Symptome wie kürzlich aufgetretenes Fieber oder Schüttelfrost, Appetitlosigkeit, rasche Ermüdbarkeit, durchgemachte bakterielle Infektion
- Risikofaktoren für Osteoporose
Beachte: Entscheidend für das weitere Vorgehen ist immer das klinische Gesamtbild, nicht unbedingt ein einzelner Faktor!
Anzeichen für degenerative Wirbelsäulenerkrankungen
Tabelle 3: Kardinalsymptome verschiedener degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen
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Typische Schmerzcharakteristika
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Weitere klinische Zeichen
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Bandscheibenvorfall
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- Radikuläre Schmerzausstrahlung
(Cave: medianer Bandscheibenvorfall)
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- Neurologische Ausfallerscheinungen (Paresen)
- Verringerte Muskeleigenreflexe, Sensibilitätsstörungen
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Facettengelenks-arthrose
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- Pseudoradikulärer Schmerz
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- Nächtliche, morgendliche Schmerzbetonung
- Hyperextensions-
schmerz
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Spinalkanalstenose
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- Claudicatio intermittens spinalis
- Schmerzausstrahlung in die Beine, Kraftverlust
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- Verringerung der Gehstrecke
- Beschwerdelinderung durch Kyphosierung (Entlordosierung)
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Spondylolisthese („Wirbelgleiten“)
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- Schmerzverstärkung nachts und bei statischen Belastungen
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Abklärungsempfehlungen bei Hinweis auf spezifische Ursache
Untersuchungen
Die Evaluation basiert im Wesentlichen auf bildgebenden Verfahren und ev. Laboruntersuchungen
- Basislabor: Hämatogramm, CRP, BSG, Alkalische Phosphatase (bei V. a. osteoplastische Metastasen)
- Spezielle Labordiagnostik: je nach vermuteter Ursache
Dringlichkeit
Ergibt sich aus dem jeweiligen klinischen Bild
1. Notfallmässige Abklärung (MRI):
- Symptome eines Cauda equina-Syndroms
- Schwere neurologische Ausfälle (progrediente motorische Defizite)
- Verdacht auf Schub/Progression einer Multiplen Sklerose
- Notfallmässige Spitaleinweisung bei V. a. bakterielle Meningitis (Fieber, Nackensteifigkeit, Bewusstseinsveränderung, Petechien)!
2. Rasche Abklärung (Rx oder MRI/CT) bei:
- Anhalt für Tumor/Metastasen: Tumoranamnese oder multiple Risikofaktoren für Tumor, stark verdächtige Klinik für ein Krebsleiden. Bei V. a. osteolytische Metastasen (z. B. Kolonkarzinom, Bronchialkarzinom!) –> CT, bei V. a. osteoplastische Metastasen (z. B. Prostatakarzinom) –> seitliche Röntgenaufnahme
- Anhalt für Fraktur: vorangegangenes Trauma, Risikofaktoren Osteoporose und höheres Lebensalter
3. Nicht-dringliche Abklärung bei:
Radikulopathie
Symptome:
- Bei Patienten mit leichteren neurologischen Befunden (z. B. Diskushernie mit Ischialgie, leichter Fussheberschwäche, fehlenden tiefen Sehnenreflexen, Anheben des Beines nicht vollständig möglich) soll zunächst ein konservativer Therapieversuch erfolgen (Besserung auch ohne Intervention häufig)
- Bei ausbleibender Besserung ist eine Bildgebung angezeigt, insbesondere wenn Eingriffe (z. B. Infiltration) oder eine Operation geplant sind
Abklärung:
Verdacht auf Spinalkanalstenose
Symptome:
- Ältere Patienten, Schmerzen und Schwäche in den Beinen (welche das Stehen und Gehen auf kurze Zeit beschränken, Erholung beim Vornüberbeugen (Velofahren) oder einige Minuten nach Entlastung; Lasègue-Zeichen meist negativ, Beweglichkeit altersentsprechend nicht eingeschränkt (Finger-Boden-Abstand)
Abklärung:
Verdacht auf entzündliche Gelenkerkrankung (Spondylarthritis, M. Bechterew)
Symptome:
- Bei Patienten < 40 Jahre. Typische Symptome: Morgensteifigkeit (≥ 30 min), frühmorgendliches/nächtliches Erwachen wegen Kreuzschmerzen, alternierender Gesässschmerz, schleichender Beginn der Schmerzen. Schober-Test, laterale Flexion der LWS, Mennel-Test können pos. sein
Abklärung:
- Röntgen der Iliosakralgelenke (z. B. Röntgen LWS und ISG), MRI (bei starkem klinischem Verdacht und unklaren Röntgenbildern)
- Labor: BSG/CRP, HLA-B27
Verdacht auf extravertebragene Ursache
Symptome:
- Abdominelle und viszerale Prozesse, z. B. Cholezystitis, Pankreatitis
- Gefässveränderungen, z. B. Aortenaneurysma
- Engpasssyndrome, z. B. Thoracic-outlet-Syndrom
- Gynäkologische Ursachen, z. B. Endometriose
- Urologische Ursachen, z. B. Urolithiasis, Nierentumore, perinephritische Abszesse
- Neurologische Erkrankungen, z. B. Polyneuropathien
- Psychosomatische und psychiatrische Erkrankungen
Abklärung:
- Je nach Krankheitsverdacht weiterführende Untersuchungen und/oder Überweisung an Spezialisten