Zeckenübertragene Krankheiten

Lyme-Borreliose

  • Anamnese und klinischer Befund sind für die Diagnosestellung (und die Interpretation serologischer Befunde) entscheidend. Je typischer die Klinik, desto unwichtiger die Serologie

Wann soll an die Lyme-Borreliose gedacht werden?

  • Nach einem Zeckenstich, falls Zecke nach > 24 h entdeckt wird
  • Bei einer ringförmigen, langsam sich ausbreitenden Hautrötung (Erythema migrans)
  • Bei einer intensiv schmerzenden Radikulopathie, v. a. in Kombination mit weiteren neurologischen Erscheinungen (Radikulitis)
  • Bei einer (beidseitigen) Fazialisparese
  • Bei einem deutlich geschwollenen, auffallend wenig schmerzhaften Kniegelenk (Lyme-Arthritis)
  • Bei einem herzgesunden (jungen) Patienten mit neu aufgetretenem höhergradigen AV-Block (Karditis)
  • Bei livider schmerzhafter Schwellung v. a. über (Finger- und Sprunggelenken mit Atrophie des subkutanen Gewebes (Acrodermatits chronica atrophicans)
  • Kein typischer Verdacht besteht bei unspezifischen Symptomen wie Myalgie, Arthralgie, Fieber und chronischer Müdigkeit

Laboruntersuchungen

Serologie

  • Die Serologie unterstützt die Diagnose in den Stadien II + III. Bei unspezifischen Beschwerden ist eine Borrelien-Serologie nicht routinemässig zu empfehlen
  • Die Diagnose eines Erythema migrans wird klinisch und nicht serologisch gestellt
  • Die Serologie kann nicht zwischen chronisch aktiver und durchgemachter Lyme-Borreliose unterscheiden. Sie ist damit auch nicht für die Therapiekontrolle geeignet
  • Serologie ist indiziert bei folgender Klinik
    • V. a. Benignes Lymphozytom
    • V. a. Acrodermatitis chronica atrophicans
    • Periphere Fazialisparese
    • Akute/chronische lymphozytärer Meningitis
    • Myelomeningoradikulitis
    • Chronische, progressive Enzephalomyelitis
    • Akute oder chronische Monarthritis
    • Transienter AV-Block

Serologie in 2 Schritten

  • Screening-Test (ELISA IgG/IgM): Nachweis AK (IgM + IgG) auf Borrelia burgdorferi (Bb); hohe Sensitivität, geringe Spezifität (häufig falsch positiv)
    • IgM nach 3–5 Wochen positiv, monate- bis jahrelange Persistenz möglich
    • IgG nach 6–8 Wochen positiv, monate- bis jahrelange Persistenz möglich
  • Bei positivem Screening-Test –> Bestätigungstest (Westernblot). Erst wenn Bestätigung positiv ausfällt, gilt die Serologie als positiv
    Cave: Frühe Antibiotikatherapie kann die Serokonversion verhindern! Unterschiedliche Spezifität je nach Borrelia burgdorferi subspecies

Interpretation

  • Eine positive Serologie zeigt, dass ein Erregerkontakt stattfand, eine Aussage über die Aktivität der Erkrankung ist nicht möglich
  • Hohe Seroprävalenz in der Schweiz –> positive Serologie ohne Klinik nicht verwertbar, da viele asymptomatische Infektionen
  • Ein negativer serologischer Befund schliesst eine Lyme-Borreliose nicht aus (z. B. bei früh einsetzender, jedoch inadäquater AB-Therapie, Behandlung mit Immunsuppressiva, Cortison)
  • Bei unbehandelten Patienten, die trotz Symptomen länger als 6 Wochen seronegativ bleiben, ist eine Lyme-Borreliose sehr unwahrscheinlich
  • Borrelien-AK (IgG und manchmal auch IgM!) bleiben auch nach Antibiotikatherapie über Jahre bis Jahrzehnte hoch (ohne Krankheitssymptome)
  • Keine Therapie bei positiver Serologie ohne passende Klinik!

Direkter Erregernachweis

  • PCR-Untersuchung aus Gelenkpunktat/Synovialbiopsie kann bei Verdacht auf Lyme-Arthritis hilfreich sein
  • PCR im Liquor ist in < 50 % positiv, hier ist allenfalls der Nachweis autochthoner AK im Liquor und Serum hilfreich
  • Die meisten Manifestationen der Lyme-Borreliose heilen spontan. Trotzdem wird eine Antibiotikatherapie empfohlen (beschleunigt die Heilung, verhindert mögliche Progression)
  • Die Antibiotikatherapie ist im Frühstadium zuverlässiger wirksam als in der Spätphase
  • Das Ansprechen auf Antibiotika kann verzögert sein

Antibiotikatherapie nach Manifestation

Erythema migrans

Erwachsene

1. Wahl

  • Doxycyclin 2 x 100 mg p.o., 10 d
  • Amoxicillin 3 x 500 mg p.o., 14 d

2. Wahl (bei Allergien oder Kontraindikationen)

  • Cefuroxim axetil 2 x 500 mg p.o., 14 d

Kinder

1. Wahl

  • Amoxicillin 50 mg/kg/d in drei Dosen p.o. (max. 3 x 500 mg/d), 14–21 d
  • Im Alter > 8 Jahre: Doxycyclin 2–4 mg/kg/d in zwei Dosen p.o. (max. 2 x 100 mg), 14–21 d

2. Wahl (nur bei Allergien oder Kontraindikationen)

  • Cefuroxim axetil 30 mg/kg/d in zwei Dosen p.o. (max. 2 x 500 mg/d), 14–21 d

Acrodermatitis chronica atrophicans

Erwachsene

1. Wahl

  • Doxycyclin 2 x 100 mg p.o., 21–28 d
  • Amoxicillin 3 x 500 mg p.o., 21–28 d

2. Wahl (bei Allergien oder Kontraindikationen)

  • Cefuroxim axetil 2 x 500 mg p.o., 21–28 d

Kinder

1. Wahl

  • Amoxicillin 50 mg/kg/d in drei Dosen p.o. (max. 3 x 500 mg/d), 21–28 d
  • Im Alter > 8 Jahre: Doxycyclin 2–4 mg/kg/d in zwei Dosen p.o. (max. 2 x 100 mg/d), 21–28 d

2. Wahl (nur bei Allergien oder Kontraindikationen)

  • Cefuroxim axetil 30 mg/kg/d in zwei Dosen p.o. (max. 2 x 500 mg/d), 21–28 d

Lyme-Arthritis

Erwachsene

  • Doxycyclin 2 x 100 mg p.o., 28 d
  • Amoxicillin 3 x 500 mg p.o., 28 d

Kinder

  • Im Alter > 8 J.: Doxycyclin 2–4 mg/kg/d in zwei Dosen p.o. (max. 100 mg/Dosis), 30–60 d
  • Amoxicillin 50 mg/kg/d in drei Dosen p.o. (max. 3 x 500 mg/d), 30–60 d
  • Bei Therapieversagen: Ceftriaxon 75–100 mg/kg/d in einer Dosis i.v. (max. 2 g/d), 14–28 d

Fazialisparese

Erwachsene

1. Wahl

  • Doxycyclin 2 x 100 mg p.o., 14–21 d

2. Wahl (bei Allergien oder Kontraindikationen)

  • Ceftriaxon 1 x 2 g i.v., 14–21 d

Kinder

  • Ceftriaxon 75–100 mg/kg/d in einer Dosis i.v. (max. 2 g/d), 14–21 d
  • Im Alter > 8 Jahre: Doxycyclin 2–4 mg/kg/d in zwei Dosen p.o., 28 d

Akute Neuroborreliose (< 6 Monate)

Erwachsene

Peripheres Nervensystem und Meningitis

  • Doxycyclin 2–3 x 100 mg/d p.o., 14–21 d

Bei verzögertem Ansprechen auf Doxycyclin und sofort bei schwerer Meningitis

  • Ceftriaxon 1 x 2 g/d i.v., 14–21 d

ZNS mit Parenchymbefall (Myelitis, Encephalitis)

  • Ceftriaxon 1 x 2 g/d i.v., 14–21 d

 

Frühsommer-Meningoencephalitis

Symptome

  • Zunächst grippeähnliche Beschwerden (Fieber, Kopf-/Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit), die oft innert wenigen Tagen spontan verschwinden
  • Bei einem Teil der Patienten nach beschwerdefreiem Intervall 2. Krankheitsphase mit den Zeichen der Meningitis oder Meningoencephalitis (Bewusstseins- und Koordinationsstörungen sowie Lähmungen von Extremitäten und Hirnnerven)
  • Bei der seltenen Meningoencephalomyelitis finden sich auch Schluck- und Sprechstörungen, Lähmungen der Gesichts- und Halsmuskulatur sowie Atemlähmungen

Inkubationszeit

  • 4 (–28) Tage

Labor

  • IgM/IgG-AK im Serum, Liquordiagnostik
  • Symptomatische Behandlung, in ca. 5 % intensivmedizinische Therapie erforderlich
  • Aktive Impfung, empfohlen für alle Personen ab 6 Jahre, die in Endemiegebieten wohnen bzw. sich dort aufhalten
    • Impfung möglichst nicht während der Zeckensaison, da eine allfällige Impfreaktion kaum von einer Frischinfektion zu unterscheiden ist
    • Impfschutz nach vollständiger Grundimmunisierung (3 Dosen): 96–99 %. Rappel nach 10 Jahren empfohlen) –> s. a. BAG-Impfplan 2020
  • Geschlossene Kleidung, geschlossene Schuhe und Repellentien reduzieren das Risiko

Vollversion

Autoren: Dres. med. U. Beise, A. Kronenberg

Änderungsdatum: 12/2020

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