Akute Tonsillopharyngitis

Diagnostik

Streptokokken A-Pharyngitis (GABHS)

  • Akuter Beginn, Halsschmerzen mit Schluckbeschwerden, Fieber, Rötung von Rachenschleimhaut, Uvula und Tonsillen, geschwollene und/oder belegte Tonsillen, vergrösserte und druckdolente zervikale anteriore Lymphknoten
  • Die Symptomatik lässt keine sichere Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Ursache zu (viral ist jedoch sehr viel häufiger)
  • Rhinitis, Husten, Konjunktivitis, virales Exanthem und orale Ulzera sprechen eher gegen eine bakterielle Genese

Differentialdiagnostische Befunde

  • Diphtherie: Ähnlicher Lokalbefund wie bei GABHS-Pharyngitis, wobei die Membranen deutlicher imponieren und die Wundfläche nach deren Entfernung bluten kann
  • Plaut-Vincent-Angina: Meist einseitig, im Gram-gefärbten Ausstrich aus dem Ulkusgrund fusiforme Stäbchen (Fusobacterium nucleatum) und Borrelien (Borrelia vincenti)
  • Oral sexuell übertragbare Erreger (Treponema pallidum, Gonokokken, Chlamydien): Meist eine einseitige Tonsillopharyngitis

Centor- und McIsaac-Score zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer GABHS-Pharyngitis


Algorithmus
zur Abklärung bei Halsschmerzen – auf der Basis des modifizierten Centor- und McIsaac-Scores

Abkürzungen: CMV = Zytomegalievirus, EBV = Epstein-Barr Virus, GABHS = Gruppe A Beta-hämolysierende Streptokokken, HSV = Herpes simplex Virus, STI =  sexually transmitted infections

1)    Alarmzeichen

  • Patientencharakteristika: Immunsuppression (z. B. Chemotherapie), schwere Komorbidität, rezidivierende Tonsillopharyngitis, erhöhtes Risiko für akutes rheumatisches Fieber

  • Klinik: Patient/in erscheint schwer krank (ärztliche Beurteilung); ungewöhnlicher Verlauf; Stridor, Zyanose, Kieferklemme, Schluckstörungen; V. a. schwere systemische Erkrankung (Meningitis, Diphtherie, Lemierre-Syndrom, Kawasaki-Syndrom); Verdacht auf Peri-/Paratonsillarabszess oder Retropharyngealabszess, Scharlach, anderer primärer Fokus der Infektion (Pneumonie, Otitis media, Sinusitis)

2)     Auch Viren (EBV, CMV, Adenoviren, Enteroviren) können eine eitrige Tonsillitis verursachen

3)     Entscheidung aufgrund des Schweregrades der Erkrankung und/oder Präferenz der/des Patienten/in nach umfassender ärztlicher Information

4)     Bei hoher Morbidität ev. empirische Therapie bis zum Eintreffen der mikrobiologischen Resultate

5)     Verzögerte Antibiotikatherapie

Beachte: mediX empfiehlt keine routinemässige Bestimmung laborchemischer Entzündungsparameter bei Vorliegen einer Tonsillitis

 

Klinisches Bild

  • Symptomentrias: Tonsillopharyngitis, Fieber und zervikale LK-Schwellungen
  • Eher flächige Tonsillenbeläge (bei Streptokokken-Tonsillitis stippchenartig)
  • Halslymphknotenschwellungen nicht nur vor, sondern meist auch hinter dem M. sternocleidomastoideus zu tasten

Abklärung

  • Die Mononukleose ist eine klinische Diagnose. Nur in Zweifelsfällen und bei Hochrisiko-Patienten (Schwangerschaft, HIV-Infektion, Immundefekt) soll die Diagnose durch Laboruntersuchungen erhärtet werden
    • Blutbild
      Lymphozyten/Leukozyten-Gesamtzahl > 50 % (Sensitivität 61 %, Spezifität 95 %) im POC-Labor
      Lymphozyten/Leukozyten-Gesamtzahl > 35 % (Sensitivität 84 %, Spezifität 72 %) im POC-Labor
    • Monospot (Sensitivität: 71–98 %, Spezifität: 91–99 %). Der Monotest hat eine höhere Sensitivität nach der ersten Krankheitswoche!
    • Serologie (meist nicht erforderlich): Anti-VCA-IgM und anti-VCA-IgG, anti-EBNA-IgG. Für eine frische EBV-Primärinfektion spricht: Nachweis von anti-VCA-IgM und anti-VCA-IgG ohne Nachweis von anti-EBNA-IgG

–> mediX empfiehlt den Monotest bei persistierenden (> 7 Tage) ausgeprägten Symptomen und bei negativem Strept-A-Schnelltest

  • Bei EBV-Verdacht und gegebenem HIV-Risiko –> immer HIV-Serologie

Therapie

  • Analgetika (Paracetamol, Ibuprofen) zur Symptomlinderung. Cave: Bei EBV-Infektion kein Paracetamol (Hepatotoxizität)
  • Lokalanästhetika sind nicht indiziert
  • Keine routinemässige Antibiotikagabe bei GABHS-Pharyngitis (da geringes Risiko von Folgekrankheiten/Komplikationen sowie zunehmende Antibiotikaresistenzen)

Antibiotika werden empfohlen bei

  • Pharyngitispatienten mit GABHS-Nachweis und schwerer klinischer Symptomatik, oder mit bestimmten Grunderkrankungen, z. B. konsumierende Erkrankungen oder Immunsuppression
  • Patienten mit abszedierender Lymphadenitis oder drohendem bzw. manifesten Peritonsillarabszess
  • Patienten mit ARF in der Eigen- oder Familienanamnese

Bei Kindern

  • 1. Wahl: Amoxicillin 2 x 25 mg/kgKG p.o. für 6 d
  • 2. Wahl: Penicillin V (Phenoxymethylpenicillin) 2 x 50‘000 IE/kgKG p.o. für
    6 d (entspricht ca. den Dosen unter 1 Jahr: 2 x 200'000 IE/d; 1–6 Jahre:
    2 x 400'000 IE/d; 6–12 Jahre: 2 x 800'000 IE/d; > 12 Jahre: 2 x 1 Mio/d)
  • Bei Penicillin-Allergie
    • Cefuroxim 2 x 15 mg/kgKG  p.o. für 6 d
    • Clindamycin 3 x 7 mg/kgKG p.o. für 6 d

Bei Erwachsenen

  • Amoxicillin 2 x 1 g/d p.o. für 6 d
  • Penicillin V (Phenoxymethylpenicillin) 1 Mio IE/12 h für 6 d
  • Bei Penicillin-Allergie
    • Nicht schwere Allergie gegen Penicillin: Cefuroxim 2 x 500 mg/d p.o. für 6 d
    • Schwere Allergie: Clarithromycin 2 x 500 mg/d p.o. für 6 d

Vorgehen bei Nichtansprechen auf antibiotische Therapie

  • Bei nicht ausreichender Besserung Konsultation nach 48–72 h, bei Verschlechterung sofort

Abklärungen

  • Bestehen weiterhin Zeichen einer GABHS-Pharyngitis?
  • Gibt es Hinweise auf Mononukleose oder eine andere virale Erkrankung
    (z. B. HIV Primoinfekt)?
  • Haben sich Komplikationen eingestellt (z. B. Peritonsillarabszess)?
  • Wenn eine bakterielle Ursache weiterhin wahrscheinlich ist: Erregernachweis (Abstrich mit Kultur) und gezielt therapieren
  • Allenfalls Überweisung an HNO (zur Biopsie) bei anhaltend unklaren Fällen und/oder nicht ansprechen auf eine Therapie.
  • Kann erwogen werden bei Auftreten von 7 GABHS-Infektionen in einem Jahr oder je 5 Episoden in 2 aufeinander folgenden Jahren oder je 3 Episoden in 3 aufeinander folgenden Jahren, wenn die Infektionen schwer beeinträchtigend sind

Vollversion

Autoren: Dr. med. D. Puhan, Dr. med. U. Beise

Änderungsdatum: 09/2023

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